Soundwatch Music Film Festival 2024 – Breaking (Sound) Barriers

Vom 13. bis 30.11.2024 findet zum achten Mal das Soundwatch Music Film Festival statt.

Spielorte sind Lichtblick-Kino und Galiläa-Kirche.

Das diesjährige Programm präsentiert 12 Dokumentar- und Spielfilme, davon 9 Berlin- oder Deutschland-Premieren.

Schwerpunkte dieses Jahr sind wiederentdeckte Musikerinnen bzw. neue Einblicke in die Arbeit weiblicher Stars, filmische Erkundungen europäischer Clubkulturen und Filme, die mit Musik und formaler Innovation Geschichten erzählen, die in die Vergangenheit zurückblicken und auch Relevantes für hier und jetzt finden.

Eröffnet wird das Festival mit einer Berlin-Preview von KNEECAP (Regie: Rich Peppiatt), der fiktionalisierten Origin Story der gleichnamigen nordirischen Hiphop-Gruppe. In dem irischen Anwärter des Oscars für Besten Internationalen Film spielen die Bandmitglieder sich selbst, unterstützt von einem gut aufgelegten Michael Fassbender.

SINCE YESTERDAY – THE UNTOLD STORY OF SCOTLAND’S GIRL BANDS (Regie: Blair Young, Carla J Easton, Mark Thomas, David Harron) nimmt seinem Titel von dem Mitte 80er-Hit des Glasgower IndiePop-Duos Strawberry Switchblade und erzählt die Geschichte von schottischen Pop- und Rockmusikerinnen von den 1960er Jahren bis heute. Der Film ist voller musikalischer Entdeckungen und zeichnet gleichzeitig ein Bild weiblichen Empowerments innerhalb des Boy Clubs der Musikindustrie.

Mit PEACHES GOES BANANAS eröffnet Regisseurin Marie Losier (The Ballad of Genesis and Lady Jaye, Felix in Wonderland) in ihrem intimen Lofi-Stil, in traumwandelnden 16mm Aufnahmen, unbekannte Facetten der Ausnahmekünstlerin. Eine Komplizenschaft zwischen Filmemacherin und ihrem Sujet ist spürbar, und Zuschauer*innen werden eingeladen, in eine eigenwillige Welt einzutauchen.

Die Berlin-Premiere von MONA MUR IN CONVERSATION (Regie: Dietmar Post) schließt am 30.11.2024 in der Galiläa-Kirche das Festival, mit anschließender Live-Premiere von Mona Murs neuestem musikalischen Projekt Les Chansons Brutales, als Trio-Premiere mit Johannes Roloff (Klavier) und Gary Schmalzl (Geschwister Pfister, Bela B., Thurston Moore) an der E-Gitarre. Vertont werden u.a. Texte des Fotografen („Radical Eye“) und Dichters Miron Zownir. Es ist erstaunlich, dass der seit 40 Jahren aktiven Underground-Protagonistin und Grenzgängerin zwischen Postpunk, Industrial, düsterem Chanson und experimenteller Gitarrenmusik bisher noch kein umfassendes Filmporträt gewidmet worden ist. Umso gespannter sind wir auf die mit reichhaltigem Archivmaterial und erhellenden Interviews gespickte Doku.

Leider ist kürzlich mit 97 Jahren die US-amerikanische Sängerin, Gitarristin und Aktivistin Barbara Dane aus dem Leben geschieden. Ihre kraftvolle Stimme war gleichermaßen im Jazz, Blues undFolkmusik überzeugend und sie engagierte sich bei allen wichtigen politischen Kämpfen, sei es für Bürgerrechte oder gegen den Vietnam-Krieg. THE 9 LIVES OF BARBARA DANE (Regie: Maureen Gosling) ist gleichzeitig eine spannende musikalische Geschichtslektion (in der illustre Interviewpartnerinnen wie Bonnie Raitt und Jane Fonda zu Wort kommen) und eine willkommene Inspiration in diesen Zeiten.

Sitcom-Bingewatching im Kino? Mit der fulminanten zweiten Staffel der Serie zur Zeit, WE ARE LADY PARTS um die gleichnamige fiktive Londoner muslimische Frauenpunk-Band aus der Feder und Regie von Nida Manzoor, wollen wir es ausprobieren. Im Camdener Proberaum der Lady Parts werden zwischen fetten Gitarrenriffs unterschiedliche Vorstellungen über Glauben, „Migrations- und Mehrheitsgesellschaft“, sexuelle Identität, Erfolg, Familie und Freundschaft verhandelt. Und Songs wie „Voldemort Under My Head Scarf“ gehen einfach gut ab.

Mit drei Filmen untersuchen wir verschiedene Facetten der Clubkultur in Europa. In ELECTRONIC BODY MOVIE erkundet Regisseur Pietro Anton (Italo Disco Legacy) Ursprung und Nachhall der Electronic Body Music (EBM), eines Genres, das in den 1980ern Bindeglied zwischen Postpunk, Industrial und Techno war und mit peitschenden Tracks wie „Alle gegen Alle“ (DAF), „Los niños del parque“ (Liaisons Dangereuses), „Join In The Chant“ (Nitzer Ebb), „Headhunter“ (Front 242) u.v.a. damals wie heute Tanzflächen füllt. Anton interviewt die wichtigsten Protagonisten und porträtiert einen weniger von Klangwelten aus USA oder der afrikanischen Diaspora geprägten Stil. Eher ist EBM in einem „Europa“ beider Seiten des Eisernen Vorhangs verortet und eröffnete Acts aus bisher eher peripheren Popländern wie Belgien, Niederlande, Italien oder das ehemalige Jugoslawien eine Bühne.

FREE PARTY – A FOLK HISTORY von Aaron Trinder erinnert an Ravekultur in den späten 1980ern und frühen 1990ern, als Parties politisch waren und Techno der Soundtrack der Aufbruchsstimmung nach dem Fall der Berliner Mauer war. Ein Reichtum an bisher unveröffentlichtem Archivmaterial lässt die epochalen Raves von Techno-Kollektiven wie Spiral Tribe wiederaufleben. Der Film schildert auch, wie in Großbritannien die Party-Szene kriminalisiert und verfolgt wurde, während sie in Kontinentaleuropa Netzwerke gebildet und Technokultur geprägt hat. Anschließend Gespräch mit Aaron Trinder und Mitgliedern von Spiral Tribe, moderiert von Ulrich Gutmair (angefr.)

TWST – THINGS WE SAID TODAY ist das neueste Werk des rumänischen Essayfilmers Andrei Ujică (Videogramme einer Revolution, Out of the Present, The Autobiography of Nicolae Ceauşescu). Diese Filme werfen anhand von Found Footage einen alternativen Blick auf die Umbrüche von 1989 in Europa. Auch TWST dekonstruiert mediale Bilder – von Nachrichtensendungen bis zu persönlichen 8-mm-Filmtagebüchern. Ujică greift einen Song der Beatles auf, in dem sich Vergangenheit und Gegenwart auf ungreifbare Weise ineinander verweben. Der Film seine Zuschauer*innen mit in die parallelen Realitäten des Jahres 1965 inNew York – vom Konzert der Beatles im riesigen Shea Stadium in Queens über die New Yorker Weltausstellung bis zu den Unruhen in Watts, einem Stadtteil von Los Angeles, die an der Ostküste im Fernsehen übertragen wurden. Ujicăs Film ist dabei auch ein Werk der Vorstellungskraft, das mit Hilfe von Zeichnungen des französischen Künstlers Yann Kebbi und den Stimmen von jungen New Yorker Schauspielenden diesen verschwundenen Moment der Geschichte in Erinnerung ruft.

Inspiriert von dem gleichnamigen, 1974 erschienenen Album des Rockmusikers Robert Wyatt erzählt der Animationsfilm ROCK BOTTOM (Regie: María Trénor) auf zwei Zeitebenen die turbulente Liebesgeschichte des Künstlerpaars Bob und Alif zwischen Inspirationssuche, Drogenexzessen und einem alles verändernden Schicksalsschlag. Der Film wird dabei oft selbst zu einem psychedelischen Trip, bei dem Grenzen verschwimmen – und einem Zeitportrait der 1970er.

Um das kongeniale Zusammenwirken von Bildsprache und Musik geht es auch in ROZSVIŤ SVĚTLO, AŤ JE VIDĚT (Turn The Light On So I Can See, Regie: Radim Špaček). Der Film begleitet die Freundschaft zwischen Musiker Miroslav Wanek und Künstler Martin Velíšek, die durch ihre Zusammenarbeit und insbesondere die Musikgruppe Už jsme doma, seit über drei Jahrzehnten Tschechiens führende Indieband, verbunden sind. Velíšek gestaltete zahlreiche Plattencover, während die Band zu seinen animierten Kurzfilmen die Musik beisteuerte. Regie führte der 2019 verstorbene Václav Kučera, fertiggestellt wurde der Film Jahre später von Radim Špaček, dessen historischer Geheimpolizeithriller Walking Too Fast zahlreiche Preise europaweit gewonnen hat.

Mit MOGWAI: IF THE STARS HAD A SOUND (Regie: Anthony Crook) kehren wir zum Programmabschluss im Lichtblick-Kino nach Schottland zurück. Fotograf und Regisseur Anthony Crook, ein langjähriger Wegbegleiter, fängt die Essenz der fast drei Jahrzehnte umspannenden Geschichte von Mogwai ein, in Interviews mit Bandmitgliedern sowie Künstler Douglas Gordon und Autor Ian Rankin und Archivaufnahmen. Der Film zeigt auch schottisches Kulturleben von den bewegten 1990ern bis zum Lockdown, als Mogwai das zehnte Album As the Love Continues aufgenommen hat, und darüber hinaus.

Mehr Informationen zum Programm unter www.soundwatch.de